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this post was submitted on 30 Dec 2024
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DACH - Deutschsprachige Community für Deutschland, Österreich, Schweiz
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Alle meine Schülerinnen und Schüler dürfen auf die Toilette. Ist ja sonst Folter. Ich frage aber meist, ob sie es noch aushalten und ermuntere sie, das zu probieren, wenn die Stunde nur noch 5-10 Minuten geht. Wenn immer die gleichen von ihnen 5 Minuten nach der Pause gehen wollen, finde ich das irgendwann aber auch nervig. Sie verpassen ja in der Zeit halt auch Unterricht.
Du kannst keinen Unterricht machen, wenn 30 Kids alle zu irgendwelchen Dingen Unterhaltungen führen. Im Meeting bekommst Du auch nen Rüffel, wenn Du permanent mit jemanden lautstark redest und lachst, statt dich einzubringen. Dafür gibt es alle 45 Minuten 5 Minuten Pause. Oder eben große Pausen und den Nachmittag.
Ich habe auch mal nen kleinen Diktator als Lehrer erlebt. Aber Schule ganz generell so darzustellen, und damit auch jede Lehrkraft zum Handlanger eines Systems mit dem Hauptziel der Unterdrückung zu machen, ist in meinen Augen falsch und ungerecht.
Habe ich auch nicht behauptet. Aber zwischen "nur reden wenn die Lehrkraft eins anspricht" und "themenfremde Unterhaltungen über alles mögliche" liegen schon noch eine ganze Reihe Abstufungen.
Wenn (einer) der Hauptumgebung in den junge Menschen sozialisiert werden streng hierarchisch ist und die jungen Menschen nunmal stark begrenzten bis keinen Einfluss auf die Ausgestaltung dieser Umgebung haben, in der sie sich unter Zwang befinden, warum sollte das dann nicht Unterdrückung genannt werden? Ich bin nicht der Meinung, dass Schulen bzw. das Schulsystem so gestaltet sind um das beste für die Schülis zu erreichen, da andern auch einige oder viele Einzelpersonen mit sehr viel Motivation und gutem Willen im System nichts dran.
Wovon schreibst Du denn dann? Es ist ja nicht so, als müssten die SuS 45 Minuten am Stück die Lippen aufeinanderpressen.
Das kann man so nicht sagen. Ich kenne mich mit anderen Bundesländern nicht aus, aber in meinem Bundesland gibt es eine Schülervertretung, die im engen Austausch mit der Schulleitung steht. Alle Klassensprecher*innen treffen sich wöchentlich, um ihre Belange zu diskutieren. Sie können Anträge in der Schulkonferenz einbringen und können dort bspw. zusammen mit den Elternvertretern eine 2/3 Mehrheit bilden und die Lehrkräfte überstimmen.
Wie stellst Du Dir Schule denn vor bzw. in welchem Land erlebst Du eine ganz konträre Herangehensweise, wo die Schülerschaft die Schule leitet und Regeln vorgibt? Bis zu welchem Grad können Fünftklässler bei gänzlicher Entscheidungsfreiheit daraus resultierende Dinge vorhersehen oder ableiten?
Schule bereitet also auf ein berufliches System mit hierarchischen Strukturen vor. Das finde ich nicht verwerflich, aber man sollte die Augen nicht davor verschließen.
Wenn beim Brettspielabend zwei quer übern Tisch laut miteinander feixen während einer versucht seinen Zug zu machen, scheiß ich die auch irgendwann an. Mit Hierarchie hat das relativ wenig zu tun, eher mit grundlegender Höflichkeit, sich ausreden zu lassen und beim Thema der Veranstaltung zu bleiben.
Der Rüffel kann ja auch von Kolleg*innen und nicht nur vom Chef kommen.
Letztlich befinden wir uns aber immer irgendwo in hierarchischen Systemen. Oder zumindest in Systemen mit Regeln, die auch durchgesetzt werden. Schule bereitet auf das Leben danach (mit) vor. Das umfasst mehr, als nur den Job.
Man muss und kann Kinder da natürlich nicht wie Erwachsene behandeln und ich würde mich in vielerlei Hinsicht auch eher als progressiv einordnen. Aber „alle gewinnen, es gibt keine Verlierer“ im Sport oder „Schule ohne Noten“ verschiebt in meinen Augen nur die Auseinandersetzung mit der Realität nach hinten. Und das in einer Gesellschaft, in der Eltern immer mehr versuchen, das auch im Privaten herzustellen. Kinder laufen irgendwie nebenher, es gibt keine positive oder negative Verstärkung, sondern nach innen wird alles schöngeredet und nach außen „mein Kind doch nicht“ getragen, während man fleißig helikoptert.
Ich denke nicht, dass ich mich zu weit aus dem Fenster lehne, wenn ich sage, dass Gesellschaften und Gruppen in ihnen Regeln brauchen. Und dabei gibt es immer jemanden, der sie durchsetzt, insbesondere wenn junge Menschen das selbst noch gar nicht können. Da wären wir halt wieder bei den Hierarchien.
Ich arbeite als Erzieher und ahne in welche Richtung du hier argumentierst, aber wollte dich bitten kurz klar zu stellen, wie Kinder zum einen "irgendwie nebenher laufen" und zum anderen "helikoptert" wird. Das ist für mich erst mal ein Wiederspruch.
Ich arbeite in einem Waldkindergarten (Nicht Waldorf :-)). Elterninitiative, Zielgruppe Links-Grüne gehobene Mittelschicht, Stichworte Bio-Supermarkt und Lastenfahrrad.
Bei dieser Art Klientel hätte ich die Kritik die äußerst jetzt erst mal verortet. Tatsächlich, zumindest in meiner Erfahrung bisher, sind Eltern dort sehr bemüht um ihre Kinder. Es wird oft, mal mehr, mal weniger, Bedürfnisseorientiert erzogen, was aber entgegen meinen Vorurteilen keine Erziehung ohne Verstärker ist, sondern eben eine welche dir Verstärker sehr bewusst und sehr individuell einsetzt. Obwohl ich da euer skeptisch rangegangen bin, habe ich inzwischen deutlich mehr positive als negative Eindrücke.
Ich finde es ein bisschen befremdlich das du davon redest, dass die Auseinanderaetzung mit der Realität nach hinten verschoben wird und dann beschreibst, das Eltern diese Realität ja herstellen. Läufst dann nicht die Schule an der Realität vorbei, wenn sie so tut als wären die dort gelebten Normen (Konkurrenz, Leistungszwang) eine universelle Realität? Klar, sagst du jetzt vielleicht, aber in der echten Welt jenseits von lieben Eltern und hoffentlich lieben Lehrenden gibt es eine knall harte Arbeitswelt in der nur die Besten überleben. Aber ist das wirklich so? Und muss das auch so bleiben? Wenn nicht (und ich finde: nicht!), dann ist der neuen Generation andere Grundwerte mit auf den Weg zu geben eigentlich ein ganz guter Schritt.
Ich erlebe täglich, dass Eltern so beschäftigt mit sich, ihrer Arbeit und ihren Ansprüchen an ihre Kinder sind, dass sie sich häufig nicht um sie wirklich (bedürfnisorientiert) kümmern. Ich sehe es ja auch im Bekanntenkreis, wenn man sich entweder entscheidet kein Kind zu bekommen und sich stattdessen einen Hund oder eine Katze zulegt oder doch das Kind bekommt, aber eben nicht auf weite Teile de vorherigen Lebens verzichten möchte. Die Karriere, Hobbys und Partys müssen weitergehen und die Kinder sollen vor allem nach dem Kindergarten dann so erwachsen sein, dass sie auch bitte nicht so viele Probleme machen. Im Kindergartenalter mag das noch anders aussehen, weil das im Kopf ein absehbarer Zeitraum ist und die Kinder in dem Alter weitgehend angewiesen sind, auf Erwachsene. Wenn aber dann in der Schule mal die Noten absacken oder die Kinder sonst irgendwie verhaltenstechnisch über die Stränge schlagen. Dann sind sie auf der Matte, wollen Gespräche bis hoch zur Schulleitung, wollen Tadel nicht unterschreiben, etc. Das sind beileibe nicht alle Eltern, aber ich finde, ein solcher gesellschaftlicher Trend ist schon auszumachen. Wohlstandsverwahrlosung nennt man das. Und an anderen Schulformen hast Du dann eine derartige Gesamtverwahrlosung, die – glaube ich – in der Gesellschaft noch nicht angekommen ist, weil wir noch von alten Errungenschaften zehren.
Bislang konnte mir noch niemand beantworten, wie diese romantische Alternative denn genau aussieht bzw. erreicht wird. Anarchie und bedingungsloses Grundeinkommen und alles ist super? Wir geben dem Kommunismus noch mal eine Chance, wo alle gleich sind? Am Ende sind doch wieder Andere gleicher. Ich überzeichne jetzt etwas, aber ich habe das Gefühl, das muss man auch, weil man sonst wieder an der gleichen Stelle landet, wo Regeln eine Rolle spielen, wo bestimmtes Verhalten sanktioniert und anderes Verhalten belohnt wird. Und wo X mehr verdient, als Y. Und wo das bedingungslose Grundeinkommen zwar erstrebenswert ist, aber nicht dazu führen kann, dass plötzlich jeder nur 5 Stunden die Woche arbeitet und dafür trotzdem das Haus im Grünen und die drei Reisen im Jahr bekommt.
Ich bin beileibe kein Neoliberalist oder Konservativer, ich bin sozial aufgestiegenes Arbeiterkind. Dazu gehörte aber einfach auch eine Menge Arbeit, mehr als bei Aurelius, der dank Netz und doppeltem Boden immer wieder auf den Füßen landet. Ich teile als Klassenlehrer in Elterngesprächen auch die Auffassung, dass nicht jeder in jedem Fach super sein muss und bin verständnisvoll, wenn private Umstände dazu führen, dass jemand gerade mit sich und seinen Problemen kämpft. Aber ich halte es für sehr naiv anzunehmen, man müsse (und könne) das System irgendwie gänzlich frei von äußeren Zwängen gestalten und jeden das machen lassen, was er/sie möchte und dies gesamtgesellschaftlich bis ins Extrem finanzieren, ohne aber konkrete Pläne zu haben, die wirklich auch zielführend sind und nicht nur schön klingen.