Habe ich auch nicht behauptet. Aber zwischen "nur reden wenn die Lehrkraft eins anspricht" und "themenfremde Unterhaltungen über alles mögliche" liegen schon noch eine ganze Reihe Abstufungen.
Wovon schreibst Du denn dann? Es ist ja nicht so, als müssten die SuS 45 Minuten am Stück die Lippen aufeinanderpressen.
Wenn (einer) der Hauptumgebung in den junge Menschen sozialisiert werden streng hierarchisch ist und die jungen Menschen nunmal stark begrenzten bis keinen Einfluss auf die Ausgestaltung dieser Umgebung haben, in der sie sich unter Zwang befinden, warum sollte das dann nicht Unterdrückung genannt werden? Ich bin nicht der Meinung, dass Schulen bzw. das Schulsystem so gestaltet sind um das beste für die Schülis zu erreichen, da andern auch einige oder viele Einzelpersonen mit sehr viel Motivation und gutem Willen im System nichts dran.
Das kann man so nicht sagen. Ich kenne mich mit anderen Bundesländern nicht aus, aber in meinem Bundesland gibt es eine Schülervertretung, die im engen Austausch mit der Schulleitung steht. Alle Klassensprecher*innen treffen sich wöchentlich, um ihre Belange zu diskutieren. Sie können Anträge in der Schulkonferenz einbringen und können dort bspw. zusammen mit den Elternvertretern eine 2/3 Mehrheit bilden und die Lehrkräfte überstimmen.
Wie stellst Du Dir Schule denn vor bzw. in welchem Land erlebst Du eine ganz konträre Herangehensweise, wo die Schülerschaft die Schule leitet und Regeln vorgibt? Bis zu welchem Grad können Fünftklässler bei gänzlicher Entscheidungsfreiheit daraus resultierende Dinge vorhersehen oder ableiten?
Ich erlebe täglich, dass Eltern so beschäftigt mit sich, ihrer Arbeit und ihren Ansprüchen an ihre Kinder sind, dass sie sich häufig nicht um sie wirklich (bedürfnisorientiert) kümmern. Ich sehe es ja auch im Bekanntenkreis, wenn man sich entweder entscheidet kein Kind zu bekommen und sich stattdessen einen Hund oder eine Katze zulegt oder doch das Kind bekommt, aber eben nicht auf weite Teile de vorherigen Lebens verzichten möchte. Die Karriere, Hobbys und Partys müssen weitergehen und die Kinder sollen vor allem nach dem Kindergarten dann so erwachsen sein, dass sie auch bitte nicht so viele Probleme machen. Im Kindergartenalter mag das noch anders aussehen, weil das im Kopf ein absehbarer Zeitraum ist und die Kinder in dem Alter weitgehend angewiesen sind, auf Erwachsene. Wenn aber dann in der Schule mal die Noten absacken oder die Kinder sonst irgendwie verhaltenstechnisch über die Stränge schlagen. Dann sind sie auf der Matte, wollen Gespräche bis hoch zur Schulleitung, wollen Tadel nicht unterschreiben, etc. Das sind beileibe nicht alle Eltern, aber ich finde, ein solcher gesellschaftlicher Trend ist schon auszumachen. Wohlstandsverwahrlosung nennt man das. Und an anderen Schulformen hast Du dann eine derartige Gesamtverwahrlosung, die – glaube ich – in der Gesellschaft noch nicht angekommen ist, weil wir noch von alten Errungenschaften zehren.
Bislang konnte mir noch niemand beantworten, wie diese romantische Alternative denn genau aussieht bzw. erreicht wird. Anarchie und bedingungsloses Grundeinkommen und alles ist super? Wir geben dem Kommunismus noch mal eine Chance, wo alle gleich sind? Am Ende sind doch wieder Andere gleicher. Ich überzeichne jetzt etwas, aber ich habe das Gefühl, das muss man auch, weil man sonst wieder an der gleichen Stelle landet, wo Regeln eine Rolle spielen, wo bestimmtes Verhalten sanktioniert und anderes Verhalten belohnt wird. Und wo X mehr verdient, als Y. Und wo das bedingungslose Grundeinkommen zwar erstrebenswert ist, aber nicht dazu führen kann, dass plötzlich jeder nur 5 Stunden die Woche arbeitet und dafür trotzdem das Haus im Grünen und die drei Reisen im Jahr bekommt.
Ich bin beileibe kein Neoliberalist oder Konservativer, ich bin sozial aufgestiegenes Arbeiterkind. Dazu gehörte aber einfach auch eine Menge Arbeit, mehr als bei Aurelius, der dank Netz und doppeltem Boden immer wieder auf den Füßen landet. Ich teile als Klassenlehrer in Elterngesprächen auch die Auffassung, dass nicht jeder in jedem Fach super sein muss und bin verständnisvoll, wenn private Umstände dazu führen, dass jemand gerade mit sich und seinen Problemen kämpft. Aber ich halte es für sehr naiv anzunehmen, man müsse (und könne) das System irgendwie gänzlich frei von äußeren Zwängen gestalten und jeden das machen lassen, was er/sie möchte und dies gesamtgesellschaftlich bis ins Extrem finanzieren, ohne aber konkrete Pläne zu haben, die wirklich auch zielführend sind und nicht nur schön klingen.